Mein neuer Roman „Wo beginnt der Osten, Genosse?“ ist im Leipziger Liesmich Verlag erschienen. Ich freue mich enorm!
Als erstes erblickt er das Licht der Frankfurter Buchmessenwelt am 15. 10. 2025 um 17 Uhr am Stand 4.1 F93. Dort gibt es ein Interview mit dem Verleger und mir.
Die Buchpremiere wird am 2. 11. um 17 Uhr im Kirms-Krackow-Haus in Weimar sein. Interessierte Gäste sind gern gesehen!
Lesungen in Weimar, Erfurt und Leipzig sind in Planung.
Hier könnt ihr ihn sehen und bestellen. https://liesmich-verlag.de/buecher/
Außerdem ist er in Buchhandlungen und bei Online-Händlern bestellbar.
Ich freue ich mich über eure Kommentare und Rezensionen!
WO BEGINNT DER OSTEN, GENOSSE?
Gedanken einer Leserin zum Roman von Robin Bergauf
„Ohne Vorwarnung trifft mich ein Liebesstich mitten ins Zwerchfell.“
Geht es Ihnen auch so, liebe Leserinnen und Leser, dass Sie bei diesem Satz Wonne und Schmerz gleichermaßen empfinden?
Es ist nur einer von vielen, der auf die Ambivalenzen in diesem Roman verweist: Wonne und Schmerz. Sinnlich rebellische Lebenslust und wütende Verzweiflung. Eigensinn und Gemeinwohl. Westen und Osten. Mitlaufen und Ausscheren.
Robin Bergauf ist nicht die Einzige, die derartige Gegensätze einem Romanstoff thematisch zugrunde legt.
Also stellt sich die Frage: Was macht diesen zu einem besonderen, zu einem lesenswerten Roman?
Es sind mehrere Aspekte.
Zunächst das ungewöhnliche Figurenensemble, welches uns Erzähler*in Alex (die Autorin verzichtet auf eine eindeutige Lesung des Geschlechts) vorstellt:
Liz, Alex` Lebenspartnerin – eine entschlossene, energiegeladene Frau, die hervorragenden Kaffee macht und pragmatisch handelt, im Gegensatz zu Alex, der oft grübelt und jammert, was ihr zusetzt / Alex` Mutter Conny, die im Osten aufwuchs und zum Studieren nach Russland ging, in das Land „auf das die meisten DDR-Leute nur schimpften. Sie wollte allen beweisen, dass `der Osten` uns etwas beibringen konnte.“ Dort lernte sie Alex` Vater kennen. Alex hat ihn nie kennengelernt. / Sofiia und ihr Kater Genosse sind, nach Ausbruch des Krieges in der Ukraine, geflohen, bei Alex und Liz „hereingeschneit und haben alles durcheinandergebracht.“ /
Hinzu kommen die zwei Sergejs in „tarnfarbenen Muskelshirts“. Sergej und Sergej sind schwule Putinisten. / Ben, der Typ, der seinen Müll mit sich herumträgt und an sich aber eine ausgesprochene Lichtgestalt ist. / Sein Doktorvater Leo, der Thea, Alex` Ex- Kommilitonin, (Schuhgröße 45 und „Hände wie Elchgeweihe“), geschwängert hat, aber mit der „reinigenden Akademikerin“ Ulyana fremdgeht.
Alle Figuren sind empathisch und differenziert, mit unbändiger Heiterkeit und Schärfe beschrieben. Mit ihren sehr originellen Unterschieden im Charakter, der sozialen Prägung und politischen Haltung bespielen sie, grüblerisch feinsinnig als auch brutal entschlossen, die große Bühne, die dieser Roman den Lesenden eröffnet. Hier werden die spaltenden – das „Kollektiv“ betreffende – genauso wie die zermürbenden – die „Individuen“ belastende – Fragen aufs Tableau gebracht. Höhepunkt bildet eine Demonstration, wo sich alle treffen und Alex sich selbst übertrifft. Er explodiert förmlich (wie das Auto neben ihm). Er schreit alles raus! Diese fulminante Rede (im Kapitel 10 des Romans) hat mich tief berührt! Am liebsten möchte ich sie gleich hier vollständig abdrucken. Ihr müsst sie lesen! Den ganzen Roman!
Kurz zum Ausgangspunkt der Handlung:
Romanfigur Alex (Anfang 30) stellt die Frage nach „den typischen Zutaten“ von Osten und Westen, von Ossis und Wessis. Und war sich – vor dem kriegerischen Angriff auf die Ukraine – fast sicher, dass „die Ost-West-Trennungsidee ausgedient hat“.
Und nun führt Putin einen Krieg, den angeblich der „kollektive Westen“ gegen den „Osten“ verursacht hat.
Dieser Wahnsinn löst bei allen Reaktionen aus, so unterschiedliche, dass wir, die im Frieden leben, uns um Kopf und Kragen streiten, während Ukrainer und Russen im blutigen Kampf sterben. Unzählige Menschen traumatisiert werden. So unmäßig viel zerstört wird. Alex droht daran, wie an den weiteren unlösbar scheinenden Konflikten unserer westlichen Zivilisation, zu zerbrechen.
In ihrem Roman eröffnet uns Robin Bergauf einen Raum, in dem sehr viele unserer Gedanken zu diesen Themen Einlass erhalten, liebevoll Gehör erfahren, mit klugen Gedanken reflektiert werden. Ihre Figuren sprechen alles an und aus. Dazu gibt es immer ein gutes Essen und ein besänftigendes „Wässerchen“, wie Sofiia den Wodka nennt. Die Beschreibung dieser schönen Fress-, Sauf- und Debattierorgien ist nicht das einzige sinnliche Vergnügen, was dieser Roman bereithält. Auch die Sprache ist von nährender Kraft.
So eigensinnig und geheimnisvoll, wie die Rezepte eines becircenden Koches, sind ihre sprachlichen Bilder und ihre Vergleiche.
Dieser Roman hat mich vollkommen gesättigt. Ja! Es hat geschmeckt.
Was am meisten? Dass alle Romanfiguren nicht nur zweifeln, reden, wüten, demonstrieren, explodieren und saufen, sondern HANDELN.
Sie brechen auf!
Ines Wagner