Krise schreibt Geschichte – Geschichte einer Krise

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Krise schreibt Geschichte

Bevor das Virus über uns kam, versuchte ich täglich, mit einer Menge Menschen, die man in einen etwas miefigen Raum gestopft hatte, zu kommunizieren. Mein Ziel war, die Dinge, für die ich mich begeisterte, in kleine Häppchen zu teilen, um sie den in den Raum Gestopften einzuflößen. Deren Ziel war, Spaß zu haben. Manchmal deckten sich unsere Ziele, manchmal nicht. Ich bin Lehrerin.
Die Räume, die Anzahl der Schüler und die Methoden des Vermittelns des Lernstoffs stammten aus einer Zeit, in der zu Gehorsam und Unterordnung erzogen wurde.
Diese Zeit war vorbei. Unsere Kinder waren anders. Sie wurden ihr junges Leben lang dazu ermuntert, ihre Meinung zu äußern. Sie wollten ihre Fähigkeiten ausprobieren und anwenden. Sie mussten von klein an Entscheidungen treffen (Töpfchen oder Windel, Papa oder Mama, Schoko- oder Vanilleeis, …) Und sie waren digital unterwegs. Sie waren vertraut mit Spielen und ständiger virtueller Präsenz. Wenn sie die Schule betraten, kamen sie direkt aus dem Dickicht digitaler Vollgestopftheit. Manche von ihnen hatten sich an diesem Tag noch nicht einmal richtig bewegt, weil sie bisher nur auf Bildschirme geguckt hatten.
Diese hinterfragungsfreudigen, meinungsfreien, noch unbewegten Kinder kamen jetzt in einen Raum. Dreißig gleichzeitig. Mit mir.
Ich müsste jedes individuell leiten und beraten.
Ich müsste die ständig unter den Bänken präsenten Smartphones nicht als Feinde betrachten, sondern zum Lernen nutzen.
Aber wie?

Diese Aufgabe brachte mich an den Rand dessen, was man als Burnout bezeichnet. Es ist einfach die Folge des täglich wiederholten Versuchs, etwas Unmögliches zu schaffen.

Dann kam das Virus.
Schulen wurden erst einmal geschlossen. Experten wurden befragt. Und es geschah das Unerhörte: Bei den Entscheidungsträgern entstanden folgende Erkenntnisse:

  1. Es sind zu viele Schüler in einem Raum.
  2. Wir müssen uns die Digitalität für die Schule nutzbar machen.

Ich hüpfte aus dem Fast-Burnout sofort in die Euphorie des Neuanfangs. Mir war fast wie 1989 zumute. Es bewegt sich etwas in Deutschland! Diese Krise kann uns in einer gewaltigen gemeinsamen Aufgabe zusammenführen!
Als Lehrerin begann ich aufzuatmen, trotz der atmungsunfreundlichen Viren. Als Autorin begann ich mit dem Beschreiben der Lage.
So entstanden folgende Texte.

Text 1

Die Ausgangssituation. Januar 2020.
Alles ist noch in dem Zustand, der an einem deutschen Gymnasium als normal bezeichnet wird. Wir haben fast ein halbes Jahr Unterricht hinter uns und gönnen uns und den Schülerinnen jetzt eine „Projektwoche“. Das bedeutet: Die normale Tretmühle des Fachunterrichts wird unterbrochen, jede/r Lehrende bietet ein Projekt an, die Schülerinnen wählen sich ein.

Projekte

Es ist Projektzeit. Wir versuchen, die Buntheit des Lebens, die sich im Laufe des ersten Halbjahres aus der Schule geschlichen hat, wiederherzustellen. Mit dem Instinkt und der Erschöpfung der erfahrenen Lehrenden sucht sich jeder etwas aus, das uns und den Schülerinnen sonst fehlt: Entspannung. Handarbeit. Bewegung. Selbst etwas herstellen. Die neuen Medien benutzen. Spielen.
Besonders beliebt ist das Spiel der ausgehenden Zehner und beginnenden Zwanziger Jahre: Entkommen. Escape. Gemeinsam der Wirklichkeit und den Hindernissen entfliehen.
Leider kann ich an der großen Präsentation des Entkommens nicht teilnehmen; mich drückt ein Virus ins Bett, legt mich lahm und macht mich sprachlos. Ich kriege ihn nicht klein; meine Widerstandskräfte reichen nicht mehr. Ich habe sie in kleinen Portionen aufgebraucht, in zähen Ringkämpfen mit Gegnern, die eigentlich keine Gegner sein müssten: Eltern, die für die glanzlosen Leistungen ihrer Kinder glanzvolle Zensuren einfordern. Schülern, denen die Grundlagen des analogen Umgangs miteinander abhandengekommen sind.
Vor allem aber: Schülern, die das, was wir ihnen so zu bieten haben, nicht interessiert. Die etwas Anderes wollen.
Sie wollen primär nicht stören, die permanenten Störer. Sie wollen gern spielen. Aber wir lassen sie nicht. Außerdem wollen sie lernen, wie man mit den Mitteln, die man hat, im Leben weiterkommt. Die Mittel sind Computer und Smartphones. Sie sind Werkzeuge mit fast magischen Fähigkeiten. Alles Wissen der Welt kann man von ihnen erfahren, in Sekundenschnelle. Man kann sie beherrschen und sie sich zunutze machen. Das muss man lernen.
Man kann auch von ihnen abhängig werden. Dagegen Widerstand zu leisten, muss man auch lernen.
Zum Lernen ist traditionell die Schule da.
Das hierfür zuständige Ministerium, mit einer diffusen Ahnung seiner Zuständigkeit in dieser noch nicht geklärten Angelegenheit, tat das Altbewährte: Es schuf Erlasse. So entstand die absurde Situation, in der wir jetzt unsere Energien in Unschaffbares stecken, wie Tropfen frischen Wassers in einen riesigen, ausgetrockneten Schwamm. Das Unschaffbare ist: Wir Lehrer sollen, ohne dafür in irgendeiner Weise gerüstet zu sein, „Medienkunde“ unterrichten. In langen Stunden werden Konzepte geschrieben, deren Ziel es ist, den neuen Verordnungen Genüge zu tun.
Was die Schüler lernen müssen, bekommen sie davon nicht:
Wie man sich gegen die tägliche Flut der Nachrichten schützt, um nicht im Müll zu ersaufen.
Was es für schöne Spiele gibt.
Was die Mechanismen von Hass und anderem Üblen im Netz sind und was man dagegen tun muss.
Was man tun kann, wenn man sich in der virtuellen Welt der grenzenlosen Möglichkeiten verloren hat.
Wie man aus all dem Angebotenen das für sich Wichtige herausholt, und vor allem: wie man alles andere wieder loswird.
Und wir? Unser gründlich ausformuliertes Medienkonzept in der Hand, schauen wir zu, wie die Schüler in atemberaubendem Tempo von Thema zu Thema springen, schneller und schneller, und bejammern ihre wachsende Oberflächlichkeit, ihren Mangel an Fähigkeiten, die wir für grundlegend halten: fließend lesen, richtig schreiben, Texte verstehen, Menschen in der analogen Welt wahrnehmen.
Die Schüler ihrerseits sind längst woanders. Sie fliegen durch die digitale Welt, allein und ohne Anleitung. Sie treffen ihre Freunde virtuell. Sie lesen und schreiben endlos Texte.
Wir wanken hinterher, mit unseren zentnerschweren Papierbüchern drücken wir uns und sie zu Boden und haben das Gefühl, wir leisten Schwerstarbeit, weil wir nicht mehr mit den Schülern arbeiten, sondern gegen sie.
Natürlich ist das alles überspitzt. Immer noch gibt es sie: die Stunden, in denen es wie von selbst läuft, in denen der Funke überspringt und man mit dem Flow fließt statt dagegen. Aber sie sind seltener geworden …
Außer in der Projektwoche.
Als Pädagogin gehört es sich, etwas Positives zum Schluss zu sagen. Mir fallen da sogar zwei Sachen ein:

  1. Uns wurde die Fähigkeit zur Veränderung gegeben.
  2. Wir haben den Schülern (trotz aller digitaler Hinterwäldlerischkeit) etwas voraus. Wir haben Zugang zu Welten und Werken, die den Nur-Digitalen verschlossen sind. Wenn es in nicht so ferner Zeit so weit ist und die analoge Gegenrevolution zur digitalen Revolution aufflammt, können wir mit Insiderwissen brillieren (z.B. wie man ein Fahrrad repariert, einen Pullover strickt oder Mensch-ärgere-dich-nicht spielt). Dann sind wir wieder voll im Trend.

Text 2:

Alles ist auf einmal anders. März 2020

Versuch, etwas zu verstehen oder wenigstens zu beschreiben

Um diese Krise, die sich so komplex gibt, aber es möglicherweise gar nicht ist, in meinem Kopf klarzubekommen, verwende ich meine Schubladentechnik. Hier sind meine Schubladen:
Da wären zum Ersten die Entschleuniger und Innehalter. Entschleunigt und haltet inne! rufen sie, und: Nutzt die Zeit, um Wichtiges zu tun! Ruht und geht in euch! Endlich müsst ihr nicht mehr ständig herumrennen und beschäftigt tun! Noch besser: Ihr dürft es nicht mehr! Ihr werdet zum Entschleunigen verdonnert!
Eine mit mir vernetzte entschleunigte Person schickt täglich Hunderte Fotos, Videos und Sprüche in soziale Netzwerke, die illustrieren, wie sie entschleunigt und innehält.
Zum zweiten: die Veränderer. Sie finden in dieser Krise eine Menge von üblen Gewohnheiten, Gegebenheiten und Gefügen, die ins Wanken geraten sind: Die Weltordnung. Das Gegeneinander von Arm und Reich. Die Idee des wirtschaftlichen Wachstums als Grundlage der Gesellschaft. Wenn man das jetzt ändern könnte! Jetzt, wo es wackelt, wie ein schiefes, hässliches Gebäude aus Bauklötzern! Man könnte ein neues, herrliches Haus daraus bauen! Nur welchen Baustein nehmen wir heraus? Und was passiert dann?
Dann gibt es die Hamsterer. Diese Gruppe ist eine virtuelle Größe, denn es gibt sie nicht. Niemand hamstert. Ich will nicht das Kl-Wort verwenden, es ist schon so oft verwendet worden. Aber ich will hier nur zu bedenken geben: Wenn man all das weiße Mehl isst, das man eingekauft hat, braucht man auch kein Kl. mehr.
Zum vierten gibt es die Systemrelevanten. Einige davon wissen davon erst seit kurzer Zeit, und sie sitzen mit einem neuen Selbstbewusstsein hinter ihren Scheiben und könnten über Systemrelevanz nachdenken, wenn sie Zeit dafür hätten.
Ah, ja, fünftens, die Meckerer. Sie haben schon lange gewusst, was los ist. Man hat es ja kommen sehen, als es in China losging. Aber natürlich haben die Regierungen nichts gemacht. Die Chinesen. Die WHO. Die Flüchtlinge. Die bringen uns das Virus herein. Die eigene Regierung. Eine starke Regierung hätte all dem Einhalt geboten, als es noch möglich war. Jetzt ist es zu spät. Und sie, die Meckerer, müssen es wieder ausbaden.
Eine erstarkende Gruppe ist, sechstens, die der religiösen Eiferer. Sie haben die Wackligkeit der Situation erkannt und sich auf den Weg begeben, um Menschen für ihren Glauben zu gewinnen, jetzt auch virtuell. An einem einzigen Tag habe ich von vier verschiedenen Seiten dringliche Aufforderungen erhalten, endlich die WAHRHEIT zu erkennen. Je nach Toleranzgrad des jeweiligen Religionsgebildes winkt man mir mit Erlösung oder droht mit Verdammnis, gern auch mit beidem.
Und dann sind da, siebtens, die Mündigen Kritischen Bürger. Sie trauen den großen Medien nicht, denn alles, was groß ist, unterliegt Einflüssen von denen, die es groß gemacht haben. Sie suchen sich Informationen in anderen Quellen, die sie alternativ nennen. Diese Quellen bieten Bedenkenswertes bis Hanebüchenes. Die MKBs nutzen ihre Intelligenz und ihr Vorwissen, um Bedenkenswertes von Hanebüchenem zu unterscheiden. Intelligenz und Vorwissen sind sehr unterschiedlich.
Schlimm hat es, wie immer, die Armen getroffen. Flüchtlinge, Hilfsarbeiter, Wanderarbeiter. Alle, die nicht an Zukunft denken können, weil sie die Gegenwart erst einmal überleben müssen. Sie brauchen Hilfe, aber von wem? Na, von uns! Den Reichen! Aber wie?
Gibt es eigentlich jemanden, neuntens, der von dem Ganzen profitiert? Ja! Kontaktscheue in sozialen Berufen. Lehrerinnen kurz vorm Burnout. Internetserviceproviderinhaber! Onlinehandelbesitzer! Und: Spekulanten, die anderer Leute Unternehmen hin und her schieben, als wären es Häppchen eines blutigen Steaks auf einem Teller mit Designerfood. Dann sind da noch die Schweden. Zehntens. Die sitzen draußen in der Sonne und essen ihre Bollars zusammen mit ihren Freunden, von denen sie auch nicht weiter weg rücken als sonst. Und: Elftens. Die Covid-19-Erkrankten. Von denen hört und liest man sehr wenig (außer sie sind Prime Minister). Warum eigentlich? Da eine direkte Kommunikation nicht mehr stattfinden kann, wird das Netz genutzt, um sich zu den genannten Gruppen zusammenzufinden. Dabei ist ein jeder zunächst Zielperson jeder Gruppe, was einen unglaublichen Überschwapp an Mitteilungen zur Folge hat. Mich selbst würde ich zu den Veränderern rechnen, Untergruppe Möchtegernveränderer. (Wobei ich natürlich Tendenzen zu anderen Gruppen habe.) Ich würde mir gern den Baustein Schule herausnehmen und die Krise nutzen, um Barmherzigkeit für Schüler- und Lehrerinnen, kleinere Klassen und Lernen statt Stopfen einzuführen. Global würde ich gern die Anhäufung von Kapital verhindern, das Immermehr als Triebkraft der Gesellschaft abschaffen und eine Ökodiktatur einrichten.
Jetzt ist die Zeit! Los geht’s!
Hamsterer, MKBs, religiöse Eiferer, Systemrelevante, Entschleuniger und Innehalter, Covid-19-Erkrankte, Profitierer, Arme, Schweden, Meckerer aller Länder, vereinigt euch!

Text 3:

Die neue Welle schlägt zu. November 2020. Ein Blitzlicht

Bildungserlebnis in der Schulcloud

Für heute hatte ich zwei Online-Stunden minutiös geplant. Die erste (in der Zehnten) verbrachte ich damit, abwechselnd zu versuchen, in die Schulcloud zu kommen und mir einen Zoom Account zuzulegen, als datenschutztechnisch fragwürdige Alternative zur Schulcloud. Zwischendurch gab ich den bildungshungrigen Schülern über einen anderen datenschutztechnisch fragwürdigen Kanal Teile meiner Stunde durch, die sich halbwegs als selbstständige Aufgabe eigneten.
Als ich den Account fertig hatte, war die Stunde fast um und die Cloud hatte mich hineingelassen. Die Schüler waren weg, ein letzter betrat den verwaisten Konferenzraum, erblickte mich und floh. Er hatte wohl die Zeit verschlafen. Ich schloss den Raum.
Die zweite Videokonferenz war den hochmotivierten Fünftklässlern gewidmet. Als Erstes öffntete ich ihnen probehalber die interaktive Tafel.
Das war der letzte Befehl, den die Schulcloud von mir noch akzeptierte. Von da an handelte sie selbstständig. Weder hörten oder sahen mich die Schüler, noch konnte ich die Tafel wieder schließen oder die Konferenz beenden. Selbst als ich die Schulcloud gewaltsam geschlossen hatte, drangen die fröhlichen Stimmen der Fünftklässler geistergleich aus dem schwarzen Bildschirm.
Eigentlich wollte ich wegrennen, aber ich bin ja die Lehrerin! Ich loggte mich erneut ein, das dauerte ein wenig. Drinnen fand ich die Schüler mit unverminderter Freude damit beschäftigt, die interaktive Tafel großflächig vollzukrakeln. Sogar schabende Geräusche waren zu hören. Auch einige kopfschüttelnde Eltern waren jetzt da, sie guckten ratlos in die Kameras. Mich hörte niemand. Ich schrie einen verzweifelten Gruß ins Mikrofon. Diesmal war ich es, die floh.

Text 4:

Angekommen. Und jetzt? Januar 2021

Lernen im Lockdown

Das Netz ist gerissen. Die Fische, gedacht für feine Fischstäbchen, tummeln sich im Meer. Sie schwimmen chaotisch herum, wissen nicht, wo es hingeht, was sie mit ihrer Kraft anfangen sollen.
Mit einer riesigen Kraftanstrengung versuchen wir, die Fetzen des Netzes zusammenzusammeln, und wer einen zu fassen bekommt, der fängt ein paar Fischlein. Aber das ganze Netz lässt sich nicht mehr zusammenflicken, es treibt im Meer. Die Fische schwimmen drumherum und gucken sich interessiert die Netzfetzen an. Und je mehr wir zu flicken versuchen, desto mehr Fetzen halten wir in den Händen.
Unsere Sorge ist: Wie können wir Stoff rüberbekommen zu den Schülern? Und: Wie können wir ihn wieder abfragen? So wichtig ist diese Frage, dass wir die Zwölften quasi für systemrelevant erklären und sie samt ihren potenziellen Viren in die Schulen lassen, damit das Abitur-Abfragesystem, dieser große Fetzen unseres Netzes, noch intakt bleiben kann.
Warum sind die Prüfungen so wichtig?
Könnten wir die Schüler nicht stattdessen fragen, was sie ohne uns in dieser Zeit gelernt haben?
Ich bin ja selbst eine dieser Fischer*innen, halte ein erbärmliches Stückchen Netz in der Hand und frage mich, was ich damit jetzt anfangen soll. In der letzen Woche habe ich mit großem Enthusiasmus und Arbeitsaufwand Online-Stunden gehalten. Um eine solche Stunde zu halten oder an ihr teilzunehmen, muss man zunächst in die Schulcloud gelangen. Die Schulcloud stelle ich mit vor als eine Wolke, in der sich Schüler, Lehrer und Stoff herumtummeln und in geordneter Weise miteinander interagieren sollen. Da es Winter ist, friert die Schulcloud immer mal ein. Dann bewegt sich darin nicht mehr alles. Was sich noch bewegt und was nicht, hängt von komplizierten informationstechnologischen Gesetzen ab, die noch unerforscht sind.
Da die Cloud ein besonderer Raum ist, kann man ihn auch nicht einfach so betreten, sondern man muss durch ein Portal gehen, das Thüringer Schulportal. Dieses ist einmal dafür gebaut worden, ein gesittetes Publikum von Bildungsschaffenden durch seinen gotischen Spitzbogen zu geleiten, eine Aufgabe, die es mit der Würde eines großzügig gebauten Eingangs zur vollsten Zufriedenheit gemeistert hat.
Nun hat ein pfiffiger Cloud-Konstrukteur die Cloud hinter diesem Portal platziert. In ungestümen Clustern stürmen die Lernenden auf das Tor zu. Wer einmal eine Schultür gesehen hat, durch die nach dem Pausenklingeln alle Schüler gleichzeitig hineinwollen, weiß, was ich meine.
Wem es trotz der Komplikationen, Rangeleien und Rausschmisse am Schulportal gelungen ist, hindurchzukommen, kann sich jetzt auf die Cloud-interne Videokonferenz namens Big Blue Button freuen. Wer „button“ buchstabieren und in Aussprache und Schreibung von „bottom“ unterscheiden kann, hat das Lernziel erreicht. Mehr ist in einer Videokonferenz nicht zu schaffen.
Bei BBB heißt es zunächst vor allem: drinbleiben. Des Weiteren sollte man seine Stunde so vorbereitet haben, dass man sie zur Not ohne Tafel, ohne schriftliche Notizen, ohne Kamera oder ohne Mikrofon halten kann. Denn eins dieser Features fällt fast immer aus. Welches, weiß man nicht. Man muss sich einfach vielseitig vorbereiten. Und so gelassen bleiben wie die Schüler. Die haben immer eine Alternativbeschäftigung parat; hinter ihren schwarzen Kästchen nutzen sie die Zeit, heimlich Dinge fürs Leben zu lernen.
Zeigen wir Phantasie, so wie sie. Wagen wir Neues. Halten wir nicht die alten Fetzen des Fischernetzes fest. Wir können jetzt den Fischen beim Schwimmen zusehen. Wenn die Kameras funktionieren.
Und dann können wir uns etwas Neues überlegen.

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