Seit Monaten schon ist Februar. In ihm und Resten seines Vorgängers nahm ich an insgesamt 3 Weiterbildungsveranstaltungen teil, zum größten Teil in der Zeit, die von des Lehreralltags Unkundigen als Freizeit bezeichnet wird.
Deshalb besitze ich jetzt 3 neue Mappen, 3 neue Blöcke und 3 neue Stifte mit jeweils den Logos derer, die an der Verbesserung meines Marktwertes beteiligt waren.
Ich mag Schreibutensilien sehr, deshalb bin ich darüber nicht traurig. Außerdem bin ich hochmotiviert, voller neuer Ideen und ungeduldig, diese endlich in die Tat umzusetzen.
Viel Gejammer gab es im Vorfeld der letzten Weiterbildung, da ja jeder Lehrer aus gutem Grund seine so genannte Freizeit verteidigt wie eine Löwin ihre Jungen. Der Preis der Veranstaltung, dessen Summe mich an der Zuverlässigkeit meiner Rechenfähigkeiten zweifeln ließ, schraubte meine Erwartungen recht hoch.
Sie trafen auf 2 kühle norddeutsche Damen in zwei der Männermode abgeschauten schwarzen Blazern, die geschmeidig in der wohl durchdachten Reihenfolge einer analog laufenden Powerpoint-Präsentation und parallel zu verfolgenden Handout-Mappe eine wohlgeordnete Systematik der im Unterricht anzubietenden Möglichkeiten einer Differenzierung vermittelten, wobei sie mit emotionsloser Professionalität Ergänzungen aus dem Kollegium an- und kontraproduktive Bemerkungen aus dem Kollegium überhörten.
Zu meiner Enttäuschung ließen sie sich dabei die einmalige Möglichkeit entgehen, die Weiterbildner einer Lehrerweiterbildung haben: nämlich die Inhalte ihres Vortrags praktisch unter Beweis zu stellen.
Denn was gibt es Differenzierteres als ein Lehrerkollegium? Welch eine Vielfalt von Herangehensweisen an den Stoff verbirgt sich in den sich größtenteils gutartig und willig, aber irgendwie ratlos mit den schon oft gelesenen theoretischen Ausführungen sich herumschlagenen Lehrerköpfen?
Dieses Potenzial galt es doch zu nutzen!
Ja, werden die ewig Positiven unter Euch antworten, das haben sie doch gemacht; es gab doch die Gruppenarbeit!
Ja, sagt die Meckererin, und wo waren die differenzierten Aufgabenstellungen?
Wo die Nutzung der so verschiedenen Möglichkeiten der Schüler, hier der Lehrer?
Wo die Forderung entsprechend den verschiedenen Voraussetzungen, um jedem und jeder einen Lernerfolg zu vermitteln?
Aber Gemecker gibt es wahrhaftig genug im Bereich Schule.
Deshalb will ich hier die Frage stellen, auf die eine solche Weiterbildung ja hinausläuft:
Was bleibt?
Und da bleibt einiges.
Ein in der Magengegend schales Gefühl unzureichend differenziert präsentierter Äpfel.
Die freudig erleichterte Erkenntnis, dass einiges von dem, was ich im Unterricht sowieso mache, nach den pädagogisch formulierten Ausführungen des Cornelsen-Handouts bereits Differenzierung IST.
Der sich stetig verdichtende Verdacht, dass auch die Spezialisten des Differenzierten Unterrichts dem im Schulsystem verwurzelten Problem zu großer Klassen und Stundenverpflichtungen mit einer gewissen, wenn auch verborgenen Hilflosigkeit gegenüberstehen.
Eine kleine Liste mit Dingen, die ich demnächst einmal probieren werde.
Die immer noch ungeklärte Frage, wie viel Differenzierung wir denn eigentlich brauchen. Denn ein großer Teil dessen, was bei den meisten Zeitgenossen für Individualität gehalten wird, ist nichts weiter als die sorgsam gezüchtete Unfähigkeit, sich als Teil einer Gruppe zu verstehen.
Zieht man das ab, bleiben einige Unterschiede in der Intelligenz und Lernwilligkeit der Schüler; auf diese es gilt zu reagieren. Unsere lange trainierte Reaktion darauf ist, Zahlen von 1 bis 6 zu verteilen und diese, ob wir es wollen oder nicht, mit einer Wertung des Schülers zu verbinden.
Da müsste die nächste Weiterbildung ansetzen. Sparen wir schon mal drauf.
Bis dahin machen wir es wie die arme, halb zu Tode zitierte Hummel: wir fliegen trotz theoretischer Flugunfähigkeit durch das uralte, halb kaputt reformierte Schulsystem.
So lange, bis die Hummel merkt, dass sie einen Stachel hat.
Februar 2012