Zu den Errungenschaften der modernen Welt gehören die Medien. Sie decken Korruptionen auf und halten potenzielle Korruptionskandidaten in Schach. Sie informieren uns über alle Katastrophen, Kriege und Morde und sorgen dafür, dass wir uns nie langweilen müssen. Sie verschaffen uns Tausende Freunde und erinnern uns an deren Geburtstage und was sie sonst so machen. Sie schaffen uns nie gekannte Möglichkeiten zur Bildung.
Wichtig dabei ist natürlich ein angemessener Umgang mit ihnen. Ein gebildeter Bürger muss Programme bedienen und anwenden können, die reichlichen Informationen filtern und einordnen, sich in der Sicherheit der Daten auskennen und die Ergebnisse seines Umgangs mit den Medien sachgerecht präsentieren können.
All diese Dinge muss man lernen, und zum Lernen ist die Schule da. Deshalb hat das Ministerium einen Kursplan aufgestellt, den die Schule vermittelt. Der Plan ist ein bewundernswertes Werk. Extrem kompetente Schülerpersönlichkeiten stehen an seinem Ziel. Er sieht aus wie ein Lehrplan und legt fest, was die Schüler am Ende des Kurses können sollen. Es gibt nur einen Unterschied zu den Lehrplänen der anderen Fächer: Es gibt dafür keine Unterrichtsstunden. Und keine Fachlehrer, die all das unterrichten. Nur die Inhalte. Natürlich gibt es Informatiklehrer, wir haben davon sogar einen ganzen an der Schule. Er kümmert sich um die mediale Kompetenz von Schülern und nebenbei auch von Lehrern (aber das ist schwerer). Außerdem kümmert er sich um die Medienausstattung; das bisschen Wartung der geschätzt 100 Geräte erledigt er quasi nebenbei. Nur manchmal muss man eins nachkaufen, aber diese Dinge sind ja haltbar, da kommt das nicht so oft vor. Nur für den Unterricht in allen Klassen reicht ein solcher Lehrer manchmal nicht ganz.
Aber da haben die klugen Lehrplanentwickler eine Lösung gefunden. Die Lehrer, sagten sie sich, unterrichten diese Inhalte ja sowieso in ihren jeweiligen Fächern, sie sind die kompetenten Vollzieher des neuen Lehrplans. In unserer sich stetig wandelnden Gesellschaft muss man ein Fach nicht vier Jahre studiert haben, um es kompetent zu unterrichten. Wir trauen da unseren Lehrern einfach mal was zu.
Das hat das Ministerium der Schulleitung mitgeteilt, und die Schulleitung hat dieses Vertrauen an uns Lehrer weitergeleitet. Besonders an die Klassenlehrer, die für ihre besondere Organisationskompetenz bekannt sind. Die stellen nun erst einmal schriftliche Pläne zusammen.
Schriftliche Pläne sind gut, man kann sie abheften und nötigenfalls den medienbewegten Ministerialkontrolleuren vorlegen.
Für mich ist das überhaupt kein Problem.
Ich habe ja in meinem Studium das Fach “Aufnahme- und Vorführtechnik” mit Erfolg abgeschlossen. Auf diese Kenntnisse greife ich nun zurück. Wir haben da gelernt, wie wir Dias zeigen und mit dem Tonbandgerät umgehen. So gerüstet, werde ich die Herausforderungen des Lehrplans Medienkunde mit Sicherheit meistern.
Die Schüler, die der Schule sowohl in medialer Ausstattung als auch im Tempo ihres medialen Lernens uneinholbar voraus sind, üben unbekümmert ihren eigenen Umgang mit Medien – in den Pausen, wenn wir uns vom Pläneschreiben erholen.
September 2016